Dirk Eisengräber-Pabst von der UniBib der FernUni Hagen hat in einem äußerst spannenden und informativen Impulsvortrag Antworten auf die Frage: Wie funktioniert Literaturrecherche? gegeben. Hier eine Zusammenfassung:
Zuerst wies Herr Eisengräber-Pabst darauf hin, dass jedes Fachgebiet eigene Wege der Literaturrecherche hat. Daher sollte man konkrete Fragen im Lehrgebiet selbst stellen, man kann aber auch die Fachreferenten der Bibliotheken fragen.
Das Ziel seines Vortrages sollte daher ein Verständnis für die Frage sein, die er so schön formuliert hat, dass ich sie im Orignial zitiere:
„Was passiert eigentlich, wenn ich irgendeine Frage in so einen Suchschlitz hineinwerfe und was kommt dabei raus als Ergebnisliste?“
Im Idealfall ist das Ergebnis relevante wissenschaftliche Fachliteratur auf dem Stand der aktuellen Forschung. Herr Eisengräber-Pabst greift nun das Alemann-Bild wieder auf – wir befinden uns in der Bucht der Litertur, das Delta der Verleger ist zu sehen. Wie lässt sich mit der Flut an Ergebnissen umgehen? Als Bibliotheksmitarbeiter spricht Herr Eisengräber-Pabst technische Filter an. Viel mehr jedoch braucht es eine weitere Strategie, nämlich: Recherche- und Informationskompetenz bei den Studierenden und bei den Lehrenden stärken. Dass Herr Eisengräber-Papst weiß, wovon er spricht, kann man auch in diesem Projektbericht nachlesen.
Fischertechniken
Im Video angelt in einem kleinen Boot ein Fischer in der Bucht der Literatur. Es geht nun um die richtige Angeltechnik. Ein erster Ansatz ist das Schneeballsystem. In den schon vorhandenen Quellen schaut man sich die Literaturverweise an, an denen man sich „langhangeln“ kann: Allerdings führt das möglicherweise zu einem einschränkenden Problem: Es gibt nämlich Forschungsgruppen, die nur auf sich selbst verweisen. Die Lösung heißt: Systematisch suchen – in Herr Eisengräber-Pabst’s Bild gesprochen heißt das dann: Aufrüsten: Es braucht einen Kutter mit Sonar. Drei Mittel der Wahl sind:
- Bibliothekskataloge: Zum Beispiel der Karlsruher virtueller Katalog als Metasuchmaschine.
- Fachdatenbanken: Ganz wichtig, um aktuellen Forschungsstand zu erfahren. Fachübergreifend ist das kostenpflichtige Web of Science. Es gibt eine Unmenge an Fachdatenbanken und somit eine Unmenge an Einstiegen. Es gibt nicht „den Einen“ Suchschlitz
- Fachzeitschriften
Die spezielle Suche in Fachdatenbanken erfordert auch spezielle Techniken. Zwei Beispiele nennt Dirk Eisengräber-Pabst:
1. Trunkierung: Hierbei wird ein Teil eines Wortes ersetzt duch Wildcards
2. Boolesche Operatoren: Mit den Wörtern ‚und‘, ‚oder‘ sowie ’nicht‘ die richtigen Informationen beschaffen.
Wie Filterbubble zustande kommen
Es folgt ein Exkurs in die Bibliometrie, die in Kurzform übersetzt heißt, „mit quantitativen Mitteln eine qualitative Aussage zu einer Publikation oder einem Autor zu bekommen“. Die Anzahl der Verweise (s. Web of Science) ergibt den so genannten Impactfactor.
Google basiert auf diesem Prinzip und es stellt sich dann die Frage, warum nicht nur Google genutzt wird? Das Problem ist wieder das Schneeballsystem und dass wissenschaftliche Artikel häufig gar nicht von Google erfasst werden können, da die Verlage da einen Riegel vorschieben. Das führt Herrn Eisengräber-Pabst zum
Deep Web
Neue bibliothekarische Suchmaschinen bemühen sich, das Deep Web zu erfassen. Da bisherige Bibliotheks-Kataloge eher für Rechercheexperten wie Bibliothekare programmiert sind, empfinden sie übliche forschende Nutzer oft als zu sperrig. Neue Suchmaschinen orientieren sich am Nutzer. Ein Zitat, dass mich gestern hier im Garten zum lauten Lachen gebracht hat, woraufhin Nachbarn, Mutter und Sohn äußerst erstaunt guckten, was ich denn beim „Arbeiten“ so mache:
„Die Suchmaschinen, die heute aufgebaut werden, sind die Rache der Nutzer am Bibliothekar“
Es geht dabei um einen Wandel der Suchphilosophie. Kataloge waren darauf aus, den exakten Suchtreffer zu haben, werden jetzt ergänzt oder abgelöst durch Suchmaschinen, die den bestmöglichen Treffer haben. Herr Eisengräber-Pabst findet es immens wichtig, sich diesen Unterschied immer bewusst zu machen, wenn Kataloge oder Suchmaschinen genutzt werden. Ein interessanter Tipp wie ich finde. Da muss man ja auch erstmal drauf kommen.
Als letzte Empfehlung legt Herr Eisengräber-Pabst nahe, Literaturverwaltungsprogramme wie Citavi (ist für FernUni-Studierende frei lizensiert) oder Zotero (OpenScource) zu nutzen. Dem kann ich mich nur anschließen. Aber das macht ihr doch sowieso alle schon, oder?
Diskussion
In der abschließenden Diskussion, in der auch auf Twitter-Kommentare eingegangen wurde, gab es auch noch interessante Hinweise. Zuerst wurde noch einmal das Thema Filterbubble und die personalisierte Suche angesprochen (Stichwort: bestmögliche Treffer).
Es gibt technische Filter, die durchaus helfen können, sie müssen aber für Suchende sichtbar sein, d. h. jeder sollte diesen selbst ein- und ausschalten können! Sonst könnte es im Extremfall passieren, dass Studierende im Bachelor nur Lehrbücher angezeigt bekommen, und mit anspruchsvollen Journal-Artikeln verschont blieben. Da wäre ich aber ganz schön sauer!
Um mit diesen Filtern umgehen zu können – und sich die Einstellungsmöglichkeiten in der Suchmaske überhaupt bewusst zu machen, müssen eben auch Recherche- und Informationskompetenz gestärkt werden. Und ein stärkerer Austausch zwischen Lehrgebiet und Bibliothek wäre dabei auch hilfreich.
Kristina Lucius sprach noch einmal die Probleme an, die durch einen Rankingalgorithmus sich ergeben. Stichwort ist hier: „Zitierkartelle“ Sebastian Vogt fragte: „Gibt es Alternativen, wie wir relevante Literatur finden können?“ und Markus Deimann: „Oder wie man diese Zitierkartelle entdeckt und wie man damit umgeht?“
Das sind erstmal zwei ganz wichtige Fragen, die allein für sich genommen schon sehr viel Wissen über den Umgang mit Literatur offenbaren. Die Antwort von Herr Eisengräber-Pabst ist aber auch nicht schlecht, wieder ein wenig „böse“: „Das ist doch das Alltagsleben im Wissenschaftsbetrieb“.
Zum Abschluss wurde Dirk Eisengräber-Pabst gebeten, drei Schlagwörter zur Informationskompetenz zu nennen, Aspekte, die er für besonders wichtig erachtet. Er betonte, dass es da nur eines gäbe, alle weiteren wären so weit hintenan, dass sich eine Erwähnung nicht lohne. Aber dieses Eine, das ist so wichtig, dass er es gleich in dreifacher Formulierung umschrieb. Diese hat es verdient, nocheinmal (fast) wortwörtlich niedergeschrieben zu werden:
„Zu wissen was man tut, das ist glaube ich das Allerwichtigste. Ich würde sagen, man sollte immer versuchen zu verstehen, was man tut. Wenn ich diesen Suchschlitz habe, der uns vieles erleichtert, er hat uns konditioniert, er hat uns erzogen – manche sagen: verzogen – aber wir schaffen es heute relativ schnell, mit wenigen Wörtern Dinge zu beschreiben, damit uns eine Suchmaschine ein Ergebnis gibt. Das können wir heute. Das ist gar nicht mal so schlecht. Wir sollten nur wissen, was dahinter steckt. […] Verstehen was da passiert, das ist wichtig!“
Die Hervorhebungen, die ich eingebaut habe, sind nicht nur die Essenz dessen, was Herr Eisengräber-Pabst als wichtigsten Aspekt der Informationskompetenz nennt. Es geht hierbei auch um mein eigentliches Forschungsthema, das ich in den letzten Stunden für diesen Blogbeitrag habe ruhen lassen: Implizites Wissen – „wir wissen mehr, als wir zu sagen wissen“ und ich denke, Herr Eisengräber-Pabst hat uns mit seinem Vortrag geholfen, vieles von dem in uns schon vorhandenen Können der Informationsrecherche ein Stück weit bewusst zu machen. Es also vom „stillschweigenden“ Wissen (tacit knowledge) zu einem expliziten Wissen zu wandeln. Danke sehr dafür, Dirk Eisengräber-Pabst!